Reinersreuth
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Zur Geschichte des Ortes Reinersreuth

von Dr. Reinhardt Schmalz

Frühgeschichte

Reinersreuth liegt am Nordrand des Fichtelgebirges am Fuße des Großen Waldsteins (877 m). Der Ort wurde in einer nach Nordwesten offenen Mulde am Zusammenfluss zweier Bachläufe in einer Meereshöhe von etwa 600 Metern angelegt.

Generell zeichnen sich die Mittelgebirgsregionen durch ein rauhes Klima aus und waren in der Frühzeit schwer zugänglich. Sie wurden daher relativ spät systematisch besiedelt. Einige jungsteinzeitliche Werkzeugfunde am Waldstein deuten lediglich auf sporadische Besuche in dieser Zeit hin.

Die ersten Zeugnisse regelmäßiger menschlicher Kulturtätigkeit in unserer Gegend finden sich in den Altstraßen, die wichtige Handelszentren verbanden. Beispiele sind die "Hohe Straße" von Venedig über Nürnberg nach Leipzig (über Berneck, Gefrees, Münchberg) oder die "Weinstraße" vom Maintal über Eger nach Prag. Die Bedeutung Münchbergs erschließt sich beispielsweise aus seiner Passlage zwischen Frankenwald und Fichtelgebirge. Damit wurde die Funktion des Gebietes nördlich des Waldsteins als eine typische Durchgangsregion begründet, die bis heute anhält.

Charakteristisch für diese Region ist weiterhin ihre Grenzlage, die schon durch die geographische Situation vorgegeben ist. Das Fichtelgebirge liegt im Fadenkreuz mehrerer natürlicher Riegel: Thüringer- und Frankenwald, Erzgebirge, Bayerischer Wald und Fränkische Alb grenzen jeweils verschiedene Siedlungsräume gegeneinander ab. In der Folge lag das Waldsteingebiet wiederholt im Brennpunkt unterschiedlichster Machtinteressen.

Die systematische Kolonisation des nordostoberfränkischen Gebirgsraumes begann daher erst um die Jahrtausendwende im Hochmittelalter. Die ersten Siedlungen in unserer näheren Umgebung stammen wohl von slawischen Stämmen, die an der Saale entlang von Nordosten her einsickerten. Ortsnamen mit der Endung -itz (z.B. Losnitz) sind hierfür typisch.

Die Hauptrodungsperiode setzte dann mit dem 12. Jahrhundert ein. Die Rodung wurde von Westen her vorgetragen, wobei in unserer Gegend hauptsächlich das fränkische Geschlecht der Walpoten aus der Gegend um Hollfeld (Burg Zwernitz) hervortrat. Der Ort Walpenreuth (früher Walbotenrute = Rodung eines Walpoten) steht für eine Namensgebung aus dieser Zeit. Die Walpoten sind in ihrer Rodungstätigkeit zweifelsfrei weiter nach Osten vorgedrungen. Dass auch Reinersreuth (früher Reinhartzrewt = Rodung eines Reinhart) in jener Periode gegründet wurde ist wahrscheinlich, lässt sich aber nicht urkundlich belegen.

Das älteste schriftliche Zeugnis aus der unmittelbaren Reinersreuther Nachbarschaft stammt von Bischof Otto I. von Bamberg (1102 - 1139). In einem Verzeichnis seiner Güter erscheint eine "Cella Waltstein", die für das heutige Zell am Waldstein namensgebend war. Vermutlich handelte es sich um eine Mönchszelle oder einen Rastort.

In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts änderten sich die Machtverhältnisse im Waldsteingebiet. Die bayerischen Markgrafen von Giengen-Vohburg, die in der Gegend von Cham beheimatet waren, übernahmen das Egerland und setzten wahrscheinlich eigene Gefolgsleute auf dem Waldstein ein. Diese wurden ab 1170 (Getto de Waltstein) urkundlich erwähnt. Die Dynastie verzweigte sich später nach Sparnberg (1202) und Hirschberg und gründete schließlich Sparneck mit einer neuen Stammburg. Die erste urkundliche Erwähnung eines Rüdiger von Sparneck (Rudegerus de Sparrrenhecke) datiert auf den 10. November 1223. Die Namensgebung hängt offensichtlich mit dem Sparren zusammen, der im Sparnecker Wappen vorkommt.

Die Ritterzeit

Die Reichsritter von Sparneck bestimmten in den folgenden 300 Jahren die Geschicke der Region nördlich des Waldsteins. Ihr Kernbesitz umfasste ein Gebiet, das etwa dem früheren Landkreis Münchberg entspricht. Dazu kam umfangreicher Streubesitz. Sie saßen auf den Burgen Waldstein, Sparneck, Stockenroth, Weißdorf, Uprode, Hallerstein, Gattendorf und Stein. Ihre Lehen reichten bis weit hinein ins Egerland. Darüberhinaus verfügten die Sparnecker über die hohe Gerichtsbarkeit (Halsgericht), die u. a. mit dem Galgen auf dem Steinbühl ausgeübt wurde. Die Sparnecker Ritter gehörten somit zu den bedeutendsten Adelsgeschlechtern Oberfrankens. Dies zeigt sich nicht zuletzt in den zahlreichen Urkunden, die sie als Zeugen mitunterzeichnet haben.

Reinersreuth wurde erst am 22. März 1419 in einer Lehensurkunde gesondert genannt. Man darf aber annehmen, daß es stets mit gemeint war, wenn die zum Waldstein gehörigen Dörfer zwar urkundlich erwähnt, aber nicht einzeln aufgeführt wurden.

Die Herren von Sparneck profitierten zweifellos von dem Umstand, dass der böhmische König im Jahre 1355 deutscher Kaiser wurde (Karl IV.) und damit das europäische Machtzentrum in ihre unmittelbare Nachbarschaft rückte. Sie verstanden es in dieser Zeit, ihren Besitz unter böhmische Lehenshoheit zu stellen.

Besonders Münchberg nahm dank seiner günstigen Verkehrslage eine positive Entwicklung. Die Sparnecker privilegierten ihre Stadt im Jahre 1364 mit dem modernen Nürnberger Stadtrecht.

Im Verlauf des 14. Jahrhunderts hatten die Sparnecker Ritter jedoch mit den aggressiven Expansionsbestrebungen der mächtigen Burggrafen von Nürnberg zu kämpfen. Deren Druck verstärkte sich fortlaufend und sie nahmen den Sparnecker Besitz in die Zange. Schließlich gaben die Sparnecker nach und verkauften ab 1373 die Stadt Münchberg mit 19 umliegenden Dörfern.

Das ausgehende Mittelalter markierte auch das Ende der Ritterzeit. Die Verwendung des Schießpulvers und die Geldwirtschaft machten die Ritter entbehrlich. Manche versuchten noch, durch Lösegelderpressung ihr Auskommen zu sichern. Ein  Beispiel dafür war Hans Thomas von Absberg, der seine Gefangenen gerne in den Sparnecker Verliesen versteckte. Dies führte dazu, dass der "Schwäbische Bund" der fränkischen und schwäbischen Reichsstädte ein gewaltiges Söldnerheer aufstellte und  23 "Raubschlösser" vom Odenwald bis zum Fichtelgebirge zerstören ließ. Dieser "Fränkische Krieg" beendete im Jahre 1523 auch die Ära der Ritter von Sparneck
.

Die Markgrafenzeit

Die Burggrafen von Nürnberg teilten ihren wachsenden Herrschaftsbereich in das Oberland (das spätere Fürstentum Bayreuth) und das Unterland (später Fürstentum Ansbach) ein und wurden um 1415 zusätzlich mit der Verwaltung der Mark Brandenburg betraut. Sie nannten sich von da an Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach mit Sitz auf der Plassenburg.

Nach der Zerstörung von fünf Sparnecker Schlössern war der Weg frei für die endgültige Übernahme des Sparnecker Gebietes durch die übermächtigen Markgrafen im Jahre 1563. Sie richteten im Stockenrother Schloss ein Amt ein, das mit der Verwaltung betraut wurde.

Um das Jahr 1680 wurden die Ämter Münchberg, Stockenroth und Hallerstein zu einem Oberamt zusammengefasst. 1731 errichtete der Amtmann Hartung an der Stelle des zerstörten Schlosses in Sparneck ein neues Amtshaus.

Als der kinderlose Markgraf Karl Alexander auf die Fürstentümer Ansbach und Bayreuth verzichtete, kamen beide unter preußische Herrschaft (1792 - 1806). Freiherr von Hardenberg führte im Jahre 1797 eine fortschrittliche Verwaltungsreform durch. Er gliederte das Fürstentum Bayreuth in sechs Kreise. Münchberg wurde Sitz eines Kammeramtes als Untergliederung im Kreis Hof.

Die bayerische Zeit

Eine turbulente Phase begann mit den Feldzügen Napoleon Bonapartes, die am 8. Oktober 1806 Sparneck erreichten. Nach der preußischen Niederlage wurde in Bayreuth ein französischer Militärgouverneur eingesetzt. Es folgte der Krieg Österreichs gegen Frankreich mit einer kurzen Periode unter österreichischer Besatzung (1809). Am 30. Juni 1810 schließlich übergab Frankreich die ehemaligen preußischen Provinzen Ansbach und Bayreuth an das Königreich Bayern, das Napoleon unterstützt hatte. Damit war die heutige politische Struktur geschaffen.

1817 erfolgte eine Neugliederung Bayerns in acht "Kreise" (die späteren Regierungsbezirke). Der Obermainkreis nannte sich ab 1837 Oberfranken.

Anfänge zur Selbstverwaltung der Landkreise gab es seit 1829. Deren Struktur änderte sich zuletzt bei der Gebietsreform im Jahre 1972. Dabei verschwand auch der ehemalige Landkreis Münchberg, der dem Kreis Hof zugeschlagen wurde.

Die Feingliederung in Kommunen mit Selbstverwaltungsrechten existiert seit dem Gemeindeedikt von 1818. Die letze Neuordnung erfolgte anläßlich der Gemeindegebietsreform von 1978. Reinersreuth gehört heute zur Marktgemeinde Sparneck, die zusammen mit der Gemeinde Weißdorf eine Verwaltungsgemeinschaft mit Sitz in Sparneck bildet.

Zur Kirchengeschichte

Die kirchengemeindliche Zuordnung unserer Dörfer ist oft sehr verwirrend und entwickelte sich teilweise unabhängig von der politischen Geschichte.

Der Name "Münchberg" läßt auf eine Ordensgründung schließen, obwohl jegliche Zeugnisse dafür fehlen. Die erste Pfarrei in Münchberg (Kirche St. Peter und Paul) wurde wohl von den Sparnecker Rittern um das Jahr 1240 eingerichtet und versorgte u.a. Weißdorf, Sparneck und Zell. In Sparneck selbst gab es vermutlich eine kleine Kapelle im Schloss.

Weißdorf (St. Maria) machte sich dann als erste Pfarrei noch vor 1400 selbständig. Es folgte Zell, dessen Kirche (St. Gallus) im Jahre 1441 erstmalige Erwähnung findet. Ein Zusammenhang mit der frühen "Cella Waltstein" ist möglich. Außerdem stand zeitweise eine Kapelle (St. Otto) auf dem Haidberg.

Für die Burgkapelle auf dem Waldstein (St. Wolfgang) war dagegen die sehr alte Pfarrei Weißenstadt (früher Weißenkirchen) im Bistum Regensburg zuständig. Dort wurde auch später die "Waldsteiner Kirchweih" mit Wallfahrten zum Waldstein gefeiert.

Friedrich von Sparneck stiftete 1477 in Sparneck ein Kloster mit zugehöriger Kirche, das nach der Reformation wieder einging. Die ehemalige Klosterkirche (St. Veit) wurde 1562 in die heutige evangelische Kirche umgewandelt und später wesentlich erweitert.

Die Reformation erfolgte in den markgräflichen Gebieten im Jahre 1528. Die Sparnecker Ritter scheinen dagegen noch bis etwa 1550 am alten Glauben festgehalten zu haben.

Reinersreuth gehörte wohl von Anfang an zur nahegelegenen Pfarrei Zell. Im Jahre 1818 wurde dann die traditionelle politische Verwaltungsgemeinschaft von Sparneck und Zell gelöst. Seitdem gehört Reinersreuth zur politischen Gemeinde Sparneck und zur Kirchengemeinde Zell.

Handwerk und Industrie

Eine frühe Wirtschaftstätigkeit finden wir im Bergbau, der bereits im 15. Jahrhundert in der Umgebung von Reinersreuth betrieben wurde. An der Hohenreuth wurden Kupfer, Eisen, Silber und etwas Gold gefunden, in der Tiefenreuth Alaun. Die Blütezeit des Bergbaus lag jedoch in der Markgrafenzeit. Später erwies sich die weitere Förderung als unwirtschaftlich.

Neben der Landwirtschaft war es vor allem das Handwerk, das den Lebensunterhalt weiter Teile der Bevölkerung sicherte. In unserer Gegend verbreitet waren seit dem 15. Jahrhundert die Leinen- und Barchentweber, die ihre Produkte meist in mühevoller Heimarbeit herstellten.

Eine Phase der Industrialisierung setzte am Ende des 19. Jahrhunderts mit der Gründung der Reinersreuther Granitwerke ein (1889). Im nahen Steinbruch wurde der bekannte Reinersreuther Granit gebrochen, der eine goldgelbe Färbung aufweist. Zum Transport baute man eine schienengebundene Seilbahn.

Steinbruch

Der Bau einer Eisenbahn von Münchberg nach Zell über Weißdorf, Sparneck und Reinersreuth beförderte die wirtschaftliche Entwicklung der Region beträchtlich. Die Bahnlinie wurde 1902 eröffnet und stellte ihren Betrieb 1971 wieder ein. Ein Omnibus übernahm dann die Personenbeförderung.

Infrastruktur

Die einschneidendsten Ereignisse des 20. Jahrhunderts waren zweifellos die beiden Weltkriege, die zusammen 36 Reinersreuther Männern das Leben kosteten und tiefe Spuren hinterließen.

Nach dem zweiten Weltkrieg kamen zahlreiche Heimatvertriebene aus den deutschen Ostgebieten nach Reinersreuth und die Einwohnerzahl erhöhte sich auf über 330.

Eine beispiellose wirtschaftliche Entwicklung kennzeichnete die Nachkriegszeit und verwandelte auch das Ortsbild von Reinersreuth nachhaltig. Die Kaufkraft der Bürger stieg an und ermöglichte eine enorme Verbesserung des allgemeinen Lebensstandards. Eine rege private Bautätigkeit setzte ein und ließ den Ort rasch wachsen.

Zahlreiche öffentlichen Maßnahmen konnten durchgeführt werden. Dazu gehören die Frischwasserversorgung (1957), die Ortsentwässerung, der Ausbau der Ortsdurchfahrt (1961) und die Neutrassierung der Kreisstraße (1968). Das 1907 erbaute Schulhaus wurde 1960 erweitert und 1965 geschlossen. 1970 errichtete die Gemeinde ein Gerätehaus für die Freiwillige Feuerwehr, die seit 1875 bestand und 2010 aufgelöst wurde.

Schule

Ab 1902 gab es in Reinersreuth eine Posthilfsstelle im Lebensmittelladen. Ab Sparneck fuhr eine Postkutsche. 1951 eröffnete eine Poststelle mit Schalterbetrieb im Haus Nr. 38. Diese stellte ihren Betrieb 1985 wieder ein.

Besonders dramatisch wirkte sich in Reinersreuth jedoch der Strukturwandel in der Landwirtschaft aus. Heute gibt es in dem einst rein bäuerlichen Ort keinen landwirtschaftlichen Betrieb mehr.

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Kulturelles Leben heute

Im ländlichen Bereich sind vor allem die Vereine Träger der Kultur. In Reinersreuth ist dabei an erster Stelle der Turnverein von 1898 mit der Schützen- Theater- und Schachabteilung zu nennen. Er hat etwa 120 Mitglieder. Darüberhinaus bereichert der Feuerwehrverein das dörfliche kulturelle Leben.

Regelmäßige Veranstaltungen des Turnvereins waren: Im Sommer ein Gartenfest, das zusammen mit dem Feuerwehrverein stattfand. Dabei wurde zeitweise eine Freilicht-Theateraufführung am Vereinsheim angeboten. Im Herbst feierte man den Jahrestag mit dem traditionellen Krenfleischessen.

Die Schützenabteilung trat mit einem jährlichen Hauptschießen hervor, das von 2000- 2005 in der neuen Schießanlage im Vereinsheim abgehalten wurde. 2009 wurde der Schießbetrieb eingestellt.

Die Schachabteilung beteiligt sich an den Wettkämpfen im Schachkreis Hof-Bayreuth-Kulmbach, wo sie 1994 in die B-Klasse aufgestiegen ist. 2003 kam der Abstieg in die C-Klasse.

Der Feuerwehrverein wurde in dieser Form erst 1984 gegründet und damit organisatorisch von der aktiven Mannschaft getrennt. Die Freiwillige Feuerwehr Reinersreuth selbst bestand bereits seit 1875. Der Verein hat etwa 60 Mitglieder.

Zwischen 1980 und 1992 war Reinersreuth um eine Attraktion reicher, als der Stammtisch "Grüner Baum" sein sog. "Gulaschfest" veranstaltete. Das war ein Freilichtspektakel, das im Wirtsgarten über die Bühne ging und alljährlich zahlreiche Zuschauer anzog. Nach dem Genuss eines würzigen Gulaschs aus einem großen Kessel wurden selbstverfaßte Theaterstücke zum Besten gegeben.

Unvergessen ist das Brauchtum rund um die Kirchweih. Hervorzuheben sind hier vor allem die Umzüge der "Kärwaburschen" sowie ein Fußballspiel zwischen ledigen und verheirateten Männern, das mit absonderlichen Regeln ausgetragen wird. Heute sind diese Bräuche eingeschlafen.